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Veranstaltung auf Russisch und Deutsch (simultan)
Die Stimmen aber bleiben
Lesung und Gespräch mit Swetlana Alexijewitsch
»Ein neuer Ton, ein neues Genre, kommt in die Welt, wenn sich das, was der Fall ist, nicht mehr in der vertrauten, alten Sprache sagen lässt« – so Karl Schlögel in seiner Laudatio auf die Friedenspreisträgerin 2013. Mit der Veröffentlichung von Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (1985) schuf die belarussische, derzeit in Berlin lebende Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch eine neue Form der dokumentarischen Literatur, die sie »Roman in Stimmen« nennt. Für ihr erfolgreiches Erstlingswerk befragte sie Frauen, die im zweiten Weltkrieg – dem Großen Vaterländischen Krieg – beteiligt und nie gehört worden waren. Die Dekonstruktion gängiger Heldennarrative und dominant männlich geprägter Erinnerungen zieht sich durch ihr gesamtes Werk, das sie einmal eine »rote Enzyklopädie« nannte – es erzählt vom Kommunismus, vom Sowjetmenschen, von Menschen im Abseits und in Extremsituationen.
Alexijewitschs dokumentarische Prosa lässt Details sprechen, die man sich nicht ausdenken kann, oft in den Nebensätzen langer und berührend offener Gespräche. Details, in denen die Versehrungen zu Tage treten, die das zwanzigste Jahrhundert auf den Körpern und in den Seelen hinterlassen hat. Alexijewitsch sammelt Stimmen, wo niemand hinhören will – sei es in Afghanistan, Tschernobyl oder auf dem riesigen postsowjetischen Umschlagplatz von gebrauchten Idealen und zerbrochenen Lebensentwürfen (Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus (2013)). Insbesondere Secondhand-Zeit, erweist sich heute, nach der erneuten Niederschlagung der friedlichen demokratischen Proteste in Belarus und den Einmarsch Russlands in die Ukraine, als überaus hellseherisches Buch. Wie desaströs der Zusammenbruch und Ausverkauf von Lebensentwürfen ist, wie schwerwiegend die Hypothek der Freiheit, wie tief die »Narkose der Idee« – all das lässt sich aus dem Buch erfahren.
Mit der Lesung eindrücklicher Passagen aus Secondhand-Zeit und im Gespräch mit der Übersetzerin Katharina Narbutovic wird die Nobelpreisträgerin über die Rolle der Literatur und das Gewicht unterdrückter Stimmen in Vergangenheit und politischer Gegenwart erzählen.
Moderation: Katharina Narbutovic
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Die Veranstaltung findet auf Russisch und Deutsch statt und wird simultan übersetzt.
Eintritt 15/8 EUR zzgl. Gebühren
Es gelten die Zugangsregelungen und Hygienekonzepte der jeweiligen Veranstaltungsorte.