Antigone

Veranstaltungsbild © Jürgen Elskamp

Antigone

nach Sophokles

Zur Übersetzung und Inszenierung der „Antigone“

Bei einer Theaterproduktion beschränkt sich die Rolle des Übersetzers nicht auf das Übertragen einer literarischen Vorlage, es geht vielmehr um eine dramaturgische „Partitur“ , die auf der Bühne zu realisieren ist. Das führt zwangsläufig dazu, dass der Übersetzer zum Stellvertreter des Bühnenautors wird und folglich die „hinter“ dem Text liegende Bedeutung und praktische Anwendbarkeit schauspielerischer Aktion freilegen und wieder neu erschaffen muss.

Die zusätzliche Funktion des Übersetzers empfinde ich beim inszenieren griechischer Tragödien als sehr aufschlussreich, nicht nur bezüglich der sprachlichen Form selbst, sondern weil das Übersetzen ein tieferes Verständnis für die inszenatorischen Möglichkeiten und die aufführungspraktischen Aspekte des Textes ermöglicht.

Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig, die griechische Tragödie nicht literarisch isoliert, sondern in direktem Bezug zu ihrer Darstellung zu betrachten. Auf diese Weise kann man die grundlegenden menschlichen Gefühle, die zum Gegenstand werden, erforschen und ihre Bedeutsamkeit dem heutigen Publikum zugänglich machen. Beim Untersuchen der menschlichen Emotionen, die den verschiedenen Stücken zugrunde liegen, wurde mir der geradezu unendliche Spielraum für experimentelle Darstellung griechischer Tragödien bewusst. Möglichkeiten, die sich beim modernen Drama nicht so einfach ergeben, wohl, weil antike Tragödien nicht ausschließlich auf Charakterisierung zwischenmenschlicher Beziehungen beruhen. Sie behandeln menschliche Leidenschaften in ihrer ursprünglichsten Form.

Die Inszenierung unternimmt den Versuch der „Autopsie“ eines antiken Dramas. Antigone wird nicht als Vehikel einer politischen Idee oder eines romantischen Ideals verstanden, sondern im Sinne Sophokles als Denkmodell, in dem sich Ideen, Glaube und Tradition mischen. Die Figur Antigone wird nicht als individuelle Frau, sondern als Funktion innerhalb einer Struktur verstanden.
Diese Stellung ist in unserer Kultur nicht mehr präsent, und genau in diesem Abgrund liegt die Faszination von „Antigone“: ein menschliches Modell, das in unserer Gesellschaft nicht mehr auffindbar zu sein scheint.

(Christos Nicopoulos)

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